Gesundheitsdatenschatz


Seit jeher spielen Daten in der Medizin eine wichtige Rolle. Werden sie künftig zum großen Geschäft?


Februar 2019



Ärzte und Krankenkassen sitzen auf gigantischen Datenbergen, deren Nutzung nicht nur die Medizin revolutionieren, sondern ebenso einen lukrativen Markt für Gesundheitsdaten schaffen könnte. Durch technologische Fortschritte etwa in der Genomanalyse und der automatischen Erfassung von Gesundheitsdaten durch Sensoren und Smartphones entsteht eine gigantische Masse gesundheitsbezogener Daten, deren Bedeutung für die Medizin kaum zu überschätzen ist. Durch Zusammenführung dieser Daten könnten Krankheiten effizienter diagnostiziert, die Effektivität von Behandlungen besser kontrolliert sowie ganz neue Möglichkeiten in der personalisierten Medizin eröffnet werden. Zusätzlich birgt die zentrale Vorhaltung von Gesundheitsdaten ein riesiges Kostensparpotenzial: Weil insbesondere die Behandlung komplexer Krankheitsbilder die Kooperation einer Vielzahl von Spezialisten erfordert, führt diese Arbeitsteilung zu zahlreichen Schnittstellen. Die erforderlichen Abstimmungen verlangsamen die Behandlung, führen unter Umständen zu Qualitätseinbußen und zudem zu höheren Kosten durch Doppeluntersuchungen.

Dass in Deutschland ganz selbstverständlich die Krankenkassen als Verwalter des Datenschatzes betrachtet werden, wirft natürlich die Frage nach der Datensouveränität der Bürger auf. Denn natürlich ist mit der Hoheit über die Gesundheitsdaten viel Macht verbunden. Gerade Krankenkassen müssen sich natürlich fragen lassen, ob eine Gesundheitsdatenbank nicht nur Wege zu personalisierter Medizin, sondern ebenso zu personalisierten Krankenkassenbeiträgen eröffnet: Werden für den Einzelnen Lebensgewohnheiten dereinst unmittelbar in Form höherer Krankenkassenbeiträge zu Buche schlagen?

In der Schweiz wählte man einen anderen Weg und legte die Macht über die Daten in Bürgerhände. Möglich ist dies, indem Gesundheitsdatenbanken genossenschaftlich organisiert und unter Bürgerbeteiligung aufgebaut wurden. Mitglieder können die Weitergabe ihrer Daten selbst bestimmen und die Daten sogar selbst vermarkten.

Bei Healthbank können Patienten selbst entscheiden, welche Daten sie in der Datenbank ablegen und mit wem sie diese teilen wollen. Darüber hinaus können Nutzer ihre Daten gegen Bezahlung Forschungseinrichtungen zur Verfügung stellen. Bei der ebenso genossenschaftlich organisierten Datenbank Midata.coop steht die Forschung im Mittelpunkt: Durch das Bereitstellen der Gesundheitsdaten durch die Genossenschaftsmitglieder soll jedoch nicht das Geldverdienen im Vordergrund stehen, sondern Ziel der Plattform ist eine aktivere Zusammenarbeit zwischen Patienten, Ärzten und Forschern, wovon man sich eine bessere Beratung von Kranken, aber auch raschere Fortschritte in der Behandlung erhofft.

Solche Plattformen werfen freilich ganz grundsätzliche Fragen rund um die Sammlung und Nutzung persönlicher Daten auf: Für wen werden die Datenberge am Ende wertvoll sein? Werden die Datenmassen von einzelnen Organisationen genutzt, um daraus Profit zu schlagen oder werden sie zum Allgemeinwohl der kollektiven Nutzung zugeführt? Weil sie einen Goldschatz beherbergen, werden die Datenbanken Begehrlichkeiten wecken, denn sie vereinen eine Vielzahl unterschiedlichster sensibler Daten in sich. Und je umfassender gesammelt wird, desto höher wird der Nutzen für die Forschung oder für die Anwendung im Bereich personalisierter Medizin sein. Es liegt daher der Verdacht nahe, dass – für eine Medizin, die wirklich anders sein soll als heute – mehr als das Blutbild vorgehalten werden muss, vielmehr wird es um ein ganzheitliches Bild des Patienten mit all seinen Gesundheitsdaten als auch solchen, die seine gesamten Lebensgewohnheiten vermessen gehen: Heute schon Sport getrieben? Gestern ein Bier zu viel gehabt? Muss der allwochenendliche Serienmarathon wirklich sein? Sind solche Fragen erst gestellt, liegt sogleich eine weitere Frage auf der Hand: Wie ändert sich durch die Verfügbarkeit digitaler Patientendossiers unser Blick auf Gesundheit und Krankheit? Werden mit dem gläsernen Patienten veränderte gesellschaftliche Maßstäbe einhergehen? Wird Gesundheit mehr denn je zur eigenen Verantwortung? Nährt die Vermessung des Lebens nicht die Illusion, mit den Daten hätten wir jede Krankheit fest im Griff?

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