Klima-Hacking


Warnungen vor dem Klimawandel werden lauter. Das verschafft radikalen Lösungen Auftrieb.


Mai 2019



Das Jahr 2018 geht als Jahr der Wetterextreme in die Geschichte ein: Hitzewellen, Waldbrände, Dürren und steigende Meeresspiegel – in der Häufung solcher Extremereignisse sehen Klimaforscher ein Indiz für einen direkten Zusammenhang mit dem Klimawandel. Dabei ist das Extremwetter ein bitterer Vorgeschmack auf die drastischen Auswirkungen des globalen Temperaturanstiegs auf Umwelt und Gesellschaften. Derart brennend ist das Problem bereits, dass zu befürchten ist, die widrigen Umstände könnten die Entscheidungen diktieren und verschiedene Nationen dazu verleiten, steuernd in das Klima einzugreifen. Das Schlagwort vom Klima-Engineering macht bereits die Runde: Gemeint sind damit bewusste Interventionen in das Klimasystem mit dem Ziel, die schlimmsten Folgen des Klimawandels abzuwenden.

Klima-Engineering beinhaltet im Wesentlichen zwei Maßnahmenbündel: Zum einen fokussiert Kohlendioxidentfernung (Greenhouse Gas Removal, GGR) darauf, bereits emittierte Treibhausgase aus der Atmosphäre zu holen. Hierbei geht es um Maßnahmen wie etwa das Aufforsten in großem Stil, um der Luft Kohlendioxid zu entziehen oder die Düngung der Ozeane zur Anregung von Algenwachstum, um mehr Kohlendioxid zu binden. Zum anderen zielt Strahlungsmanagement (Solar Radiation Management, SRM) darauf ab, einfallendes Sonnenlicht zurück in den Weltraum zu reflektieren. So könnte etwa Getreide genetisch manipuliert werden, damit es heller wird, urbane Flächen könnten weiß angestrichen werden oder aber es ist denkbar, durch das Versprühen von Wasser aus den Meeren Wolken zu erzeugen, denn auch mehr Weiß am Himmel lässt die Sonnenstrahlen reflektieren. Außerdem wird vorgeschlagen, Spiegel in der Erdumlaufbahn zu installieren oder über Wüsten zu platzieren. Diejenige Idee, die bislang die größte Aufmerksamkeit erregte, nimmt sich Vulkanausbrüche zum Vorbild: Hiervon weiß man, dass die dabei in große Höhen geschleuderten Teilchen den Planeten kühlen. Analog lautet der Vorschlag, reflektierende Partikel in die Stratosphäre einzuspeisen, die dann den Planeten umhüllen und vor der Sonneneinstrahlung schützen. Drohnenflotten oder an Ballons befestigte Sprühgeräte könnten die schützende Substanz versprühen – etwas mehr davon und die Temperatur fällt, etwas weniger und sie steigt, so die Vorstellung der Klima-Hacker.

Nun ist es kein Geheimnis, dass in Klimaangelegenheiten die Zeit drängt. Zwar kam der „Weltklimarat“ (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) zu dem Ergebnis, dass die Einhaltung der im Rahmen der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 beschlossenen Ziele, nämlich die Erderwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius, womöglich gar auf 1,5 Grad zu begrenzen, erreichbar seien. Doch beinhalten beinahe alle dieser Einschätzung zugrundeliegenden Szenarien den Einsatz von Maßnahmen aus dem Bereich des Klima-Engineerings. Dabei scheint kaum ein Weg an den massiven Eingriffen durch SRM vorbei zu führen: Zum einen geht die Reduktion von Treibhausgasen durch die Umstellung von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien schleppend voran. Zum anderen macht in Anbetracht der hohen Emissionen ein Einsatz von GGR-Maßnahmen die Entfernung immenser Treibhausgasmengen nötig. Dieses Vorgehen kann also kaum als Wunderwaffe gegen den Klimawandel gelten; was die Entwicklung dieser Technologie – vorausgesetzt sie gelingt sicher und kostengünstig – erreichen kann, ist höchstens etwas Zeitaufschub.

Allerdings sind die Maßnahmen des Strahlungsmanagements äußerst umstritten – aus guten Gründen ist Vorsicht oder gar Skeptizismus angebracht: Nicht nur sind sie vollkommen unerprobt (und das wird sich nicht ändern, denn ein Testplanet Erde steht nicht zur Verfügung), auch ist ja kaum von der Hand zu weisen, dass solche Techniken eine Reihe unbeabsichtigter Nebeneffekte haben können. So ist durchaus vorstellbar, dass das Einbringen reflektierender Partikel in die Stratosphäre regionale Witterungsverläufe durcheinanderbringen könnte. Zudem handelt es sich dabei nicht um eine einmalige Maßnahme, sondern es werden regelmäßige Einspeisungen der Partikel erforderlich. Bei einem weiteren Anstieg der Treibhausgasemissionen würde dann eine plötzliche Einstellung der Maßnahme, etwa durch eine Naturkatastrophe oder Sabotage, einen abrupten Anstieg der globalen Temperatur bedeuten. Außerdem ist zu erwarten, dass eine Gangart à la „Die Technik wird’s schon richten“ das moralische Risiko in sich birgt, die Reduktion von Treibhausgasemissionen fortan auf die leichte Schulter zu nehmen. Wenn vermeintlich Technologie die Probleme löst, nimmt der Druck auf Verhaltensänderungen in Richtung einer nachhaltigen Zukunft ab. Denn Bemühungen, Sonnenstrahlen von der Erde wegzulenken tragen nichts dazu bei, den eigentlichen Kern des Problems, nämlich den Ausstoß von Treibhausgasen – zu verringern.

Die Steuerung des Klimas wirft neben den technologischen auch eine Reihe sozio-politischer Risiken auf, die vielleicht sogar noch schwieriger in den Griff zu bekommen sind. So geben die verschiedenen Ideen des Klima-Engineerings auch Anlass zu Besorgnis, wenn es um Fragen der Kontrolle des Umgangs mit den Technologien geht: Denn welche Folgen hätte es, wenn ein Akteur – sei es ein Staat oder ein Individuum – das Weltklima nach Gutdünken ändern könnte? Hält man sich vor Augen, dass die verschiedenen Nationen der Welt höchst unterschiedlich vom Klimawandel betroffen sind und dass Klima-Engineering vor allem von einer kleinen Gruppe verschiedener Regierungen, Unternehmen und Wissenschaftlern aus den mächtigsten Ländern der Welt, die zugleich die größten Umweltsünder sind, vorangetrieben wird, dann stellt sich die Frage, wie Einverständnis über den Umgang mit den Technologien überhaupt hergestellt werden kann. Und welche Herausforderungen an die Weltgemeinschaft stellt eine Situation, in der Nationen durch Klimamaßnahmen anderer Nationen geschädigt werden? Die Grenze zwischen natürlichen und künstlichen Klimaereignissen wäre zunehmend schwieriger zu ziehen, was wiederum die Zurechnung von Verantwortung und Haftung erschwert. Wer also kontrolliert die Regierenden? Und gibt es ein Zurück, hat man erst einmal begonnen, das Klima zu hacken?

Klima-Engineering mit seinen Folgen ist in der gesellschaftlichen Debatte noch kaum angekommen. Doch die aufgeworfenen Fragen zeigen, dass es gesellschaftliche Einmischung braucht. Zwar hat der Mensch immer schon versucht, mit seinen Werkzeugen die Natur zu beherrschen. Klima-Engineering, so viel ist sicher, bedeutet aber nicht weniger als eine neue Stufe im Verhältnis des Menschen zur Natur.

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