Wunder auf zwei Rädern


Radeln wir auf das Ende des Autozeitalters zu? Das Fahrrad wird zu einem immer wichtigeren Baustein einer zukunftsfähigen urbanen Mobilität.


August 2019



Wer hätte sich vor 200 Jahren träumen lassen, dass das Fahrrad eine derartige Erfolgsgeschichte schreibt? 1817 unternahm Karl Freiherr von Drais die erste Ausfahrt mit seiner „Laufmaschine“. Doch die Zeit schien noch nicht reif für seine brillante Idee. Erst nach Karl von Drais‘ Tod ging das Fahrrad in Serienproduktion. Wenngleich die Urform des Fahrrads ohne Pedale und aus Holz gefertigt war, blieb die „Draisine“ im Prinzip bis heute unverändert. Tretkurbelantrieb, Luftreifen und Gangschaltung kamen im Laufe der Jahre hinzu und ließen das effizienteste aller menschlichen Fortbewegungsmittel entstehen. Und mit elektrischem Antrieb ausgestattet ist seit einigen Jahren sogar die menschliche Muskelkraft verzichtbar.

Heute erlebt das Fahrrad einen wahren Boom. Zwar ist das Auto in Deutschland immer noch die Nummer eins, doch nimmt die Bedeutung des Fahrrads für die Alltagsmobilität der Menschen deutlich zu. Vor allem in den Metropolen werden mehr Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt. Ein gutes Drittel der Bevölkerung nutzt mindestens einmal in der Woche das Fahrrad, wovon es immer mehr in Deutschland gibt: Die Pro-Kopf-Ausstattung mit Fahrrädern steigt an.

Dabei ist Fahrrad längst nicht mehr gleich Fahrrad. Denn die im Jahr 2017 in Deutschland vorhandenen 77 Millionen Fahrräder verteilen sich auf die unterschiedlichsten Modelle. Für jeden Bedarf und jede Vorliebe hat der Fahrradmarkt heute etwas Passendes zu bieten: Zum ganz traditionellen Drahtesel – ob als Mountain-, Renn- oder Cityradvariante – gesellen sich Lasten- und Transportfahrräder, mit denen Kinder und Einkäufe durch die Stadt kutschiert werden, die aber zunehmend auch im gewerblichen Bereich zum Einsatz kommen: Für Lieferdienste und Handwerker bringen solche Fahrräder gegenüber Auto und Lastwagen den Vorteil, dass Ziele besser und schneller zu erreichen, Anschaffung, Betrieb und Wartung günstiger sind und sich dazu noch aufgrund der positiveren Umweltbilanz ein Imageeffekt ergibt. Dazu kommen noch die immer populärer werdenden E-Bikes und Pedelecs, welche längst keine Rentnergefährte mehr sind, sondern sich auch jüngere Zielgruppen erschlossen haben. Zusätzlich zu den vielfältigen Modellen gibt es noch verschiedenartig ausgestaltete Sharingmodelle, die Fahrräder zeitlich befristet und flexibel zur Verfügung stellen, wo sie gerade benötigt werden.

Immer stärker wird das Fahrrad zum Symbol einer zukunftsfähigen urbanen Mobilität. Die Vorteile des Zweirads sind ja auch unbestritten, ist es doch ein wahres Wunder der Mobilität und hat gerade in der Stadt dem Auto einiges entgegenzusetzen: Kommt das Auto im dichten Stadtverkehr immer langsamer voran, so wissen etwa Botendienste schon lange, dass man mit dem Fahrrad so schnell wie kein anderes Fahrzeug durch den Stadtverkehr kommt. Ohne lästige Parkplatzsuche und ohne „Problem der letzten Meile“ erreicht man mit dem Fahrrad sein Ziel. Die Fortbewegung auf dem Fahrrad ist kostengünstig und umweltfreundlich und man tut dazu noch etwas für die eigene Fitness. Und angesichts eines stets knapper werdenden Stadtraums verbraucht das Fahrrad einen Bruchteil des Raums, den ein Auto für sich in Anspruch nimmt.

Gerade in den vom Verkehrschaos geplagten Städten, in denen unsere „mobile Gesellschaft“ allzu oft im Stau feststeckt, wäre das Fahrrad also das optimale Fortbewegungsmittel. Doch nicht selten mangelt es in den Städten an Fahrradinfrastruktur wie Radwegen und sicheren, witterungsgeschützten Abstellplätzen. Könnten Fahrradfahrer mit mehr Platz auf der Straße und größerer Sicherheit rechnen, fiele der Umstieg auf den Fahrradsattel deutlich leichter. Doch beginnen Kommunen beim Ausbau ihrer Infrastruktur umzudenken – und dies ist ein nicht zu unterschätzender erster Schritt in einem Land, in dem das Auto lange als „liebstes Kind“ galt.

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