Stadtplanung à la SimCity


Stadtplanung per Masterplan plant am Bürger vorbei. Die Gameful City stellt den Menschen ins Zentrum.


November 2017



In der modernen Stadt des 21. Jahrhunderts hat die „klassische“ Stadtplanung mit ihren herkömmlichen Planungsinstrumenten einen schweren Stand. Die heutige Verdichtung ökologischer, sozialer und ökonomischer Probleme mittels Masterplan in den Griff zu bekommen, ist eine Illusion. Zukunftsfähige Stadtentwicklung muss stattdessen auf Basis eines breit gefächerten Diskurses unter Partizipation der Zivilgesellschaft erfolgen.

Aktuelle Visionen einer „Smart City“ geben auf diese Herausforderung nur unzureichend Antwort. Denn in der „Smart City“ stellt Technologie das Herzstück der Stadt dar, restlos alles ordnet sich ihr unter. Während selbstverständlich die Rolle von Technologie für das effiziente Funktionieren der Stadt nicht kleingeredet werden soll, so liegt doch der Verdacht nahe, dass ein Bild der Stadt als Maschine, in der sich alles um Effizienz durch Technik dreht, den Menschen mit seinen Bedürfnissen aus dem Auge verliert. In einer lebenswerten Stadt ist nicht Technologie der Dreh- und Angelpunkt allen urbanen Lebens, sondern spielt die Rolle eines Ermöglichers. Die technologische Infrastruktur soll die Voraussetzung dafür sein, den Stadtbürger zum Akteur, zum „Agent of Change“ zu ermächtigen. Im Gegensatz dazu verdammen die meisten „Smart City“ Visionen den Bürger zum passiven Konsumenten städtischer Dienstleistungen.

Die „Smart City“ benötigt dringend ein Update: Denn Städte für ihre Bewohner und nicht an ihnen vorbei zu gestalten, ihre echten Bedürfnisse zu adressieren, kann nur gelingen in einer „Human Smart City“. Mit diesem Schlagwort werden solche Bestrebungen umschrieben, die urbane „Smartness“ erreichen, indem sie durch neue Formen partizipativen Stadtmanagements das Humankapital ihrer Bürger ausschöpfen.

Im Rahmen der urbanen Transformation hin zu einer solchen auf den Bürger fokussierten „Smart City“ können spielerische Mittel hilfreich sein. Denn dem Spielerischen wohnt inne, jene Rahmenbedingungen zu schaffen, die zu Selbstorganisation, Partizipation und Kollaboration befähigen. In der Gameful City hat das Spielerische nicht nur Unterhaltungswert, sondern erfüllt echte Zwecke. Bereits in den 1960er Jahren war R. Buckminster Fuller von diesem Ansatz überzeugt: Der große Architekt und Visionär hielt Spiele für eine geeignete Oberfläche, um komplexen Herausforderungen durch spontane Kooperation zu begegnen. In seinem computergestützten Spiel World Game brachte er Menschen zusammen, um nach ganzheitlichen Lösungen für die großen Weltprobleme zu suchen. Fuller betrachtete das World Game als demokratischen Prozess, in den Menschen ihre Werte, Fantasie und Problemlösungskompetenz einbringen, um Probleme durch bottom-up Mobilisierung statt top-down Planung zu überwinden.

Heute existieren auf Stadtebene eine Reihe von Spielen, die Fullers Konzept aufgreifen: So ist es etwa Ziel von Community PlanIt, Planungsprozesse mit spielerischen Mitteln aufzuladen und Bürgern die Möglichkeit zu geben, das eigene Umfeld mitzugestalten. Im Rahmen einer Reihe von zeitlich beschränkten Missionen tauschen sich Teilnehmer online aus, diskutieren Vorschläge und verdienen Punkte je nach Intensität der Beteiligung. Die verdienten Punkte machen sich dann im „echten Leben“ bezahlt: Mit ihnen wird abgestimmt über Projekte, die dann tatsächlich finanziert werden.

Eine vom niederländischen Unternehmen Tygron entwickelte Game Engine erlaubt im Mehrspielermodus online das Durchspielen von Entwicklungsprojekten. Auf Basis echter Daten wird eine 3D-Welt modelliert, innerhalb derer die verschiedenen Akteure agieren können und dabei Effekte wie Lebensqualität, Bevölkerungsdichte, Parkraum und vieles mehr im Blick behalten und gleichzeitig das vorgegebene Budget einhalten sowie gesetzliche Vorschriften beachten müssen.

Partizipative Stadtplanung könnte künftig also nach dem Muster von SimCity vonstattengehen: Wie in dem Stadtsimulationsspiel werden Interessierte und Beteiligte an der Stadt basteln, Ideen einbringen, Projekte austesten und Szenarien von Ressourcenallokationen und deren Effekte in Modellen echter Städte „durchspielen“. Denn Spielumgebungen lassen konsequenzloses Trial-and-Error zu, dienen als Forschungs- und Experimentierfeld und orchestrieren Kommunikation und Interaktion. Nicht zuletzt sorgen Spiele für etwas, das gerade im urbanen Umfeld mit seinen vielfältigen Protagonisten wesentlich ist: Spiele lassen alle Beteiligten eine gemeinsame Sprache sprechen. Nicht umsonst hat bereits 1974 Richard D. Duke, damals Professor für Städtebau, Gaming als „Sprache der Zukunft“ bezeichnet.

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