Totgesagte leben länger


E-Learning wurde einst als Wunderwaffe gefeiert. Doch sind Lernen und Lehren so mühsam wie eh und je. Wie sieht die Zukunft des E-Learnings aus?


August 2015



Es ist ein alter Menschheitstraum, die Mühen des Lehrens und Lernens zu verringern. Immer schon setzte man auf die Unterstützung durch Technik, um diesen Traum zumindest ein Stückchen weit Realität werden zu lassen. Als früher Versuch einer „Lernmaschine“ kann das 1588 entworfene Leserad des italienischen Ingenieurs Agostino Ramelli betrachtet werden: Mit dieser Vorrichtung erhielt der Leser Zugriff auf verschiedene Literaturquellen von einem Arbeitsplatz aus, ohne Hin- und Herlaufen zwischen Bücherregalen. Der Lauf der Geschichte brachte noch eine Vielzahl von – teilweise kuriosen – Lernmaschinen hervor, ehe durch die Verbreitung des Internets in den 1990er Jahren E-Learning einen starken Aufschwung erlebte. Die Geschichte des computergestützten Lernens ist also noch relativ jung. Zwar hat sich E-Learning durch den schnell ansteigenden Anteil von Menschen, die Zugang zu Computer und Internet haben, schnell ausgebreitet, doch konnte es nie so recht den überfliegenden Erwartungen gerecht werden. Neueste technologische Entwicklungen schlagen nun ein neues Kapitel in der Geschichte des E-Learnings auf, das sich durch eine Reihe von Innovationen drastisch von den Konzepten früher Tage unterscheiden wird. Das bereits oftmals tot gesagte elektronische Lernen erweist sich als lebendiger denn je und wird künftig eine herausragende Rolle spielen.

Big Data, das massenhafte Sammeln und Auswerten von Daten, gewinnt heute in nahezu allen Lebensbereichen rasant an Bedeutung und wird auch den Bildungsbereich nicht unberührt lassen. Denn Big Data im Zusammenspiel mit Learning Analytics verspricht nichts Geringeres, als die herkömmliche Fließband-Bildung nach Einheitsmaß durch personalisierte Lernpfade zu ersetzen. Dadurch dass Big Data dazu beiträgt, ganz generell den Lernprozess besser zu verstehen, aber auch Einblicke gibt in die Fortschritte und Lernmuster einzelner Lernender, können Lernangebote personalisiert werden.

So wird E-Learning in Zukunft stärker auf die Bedürfnisse Einzelner maßgeschneidert sein. Man wird in seinem eigenen Lerntempo vorgehen und einen gewünschten Lernpfad einschlagen können sowie nach dem individuell passenden Lernansatz unterrichtet werden. Auch die Form der Inhaltspräsentation (Text, Audio, Video) wird an die jeweiligen Lernanforderungen angepasst sein. Darüber hinaus werden Lernumgebungen vermehrt nach dem Vorbild von online Shopping-Portalen individualisiert: Analysiert wird das Lernverhalten des Anwenders, bereits erreichte Kenntnisstände, dessen Interessen und Jobprofil, um darauf abgestimmt individuelle Lerninhalte zu offerieren.

Ebenso wird die Integration von Spielmechanismen in die Lernumgebung eine größere Rolle spielen, um Lernerfahrungen motivierender und kurzweiliger zu gestalten.

Mit der zunehmenden Verbreitung des mobilen Internets wird auch E-Learning verstärkt mobil. Lernen ist nicht mehr an feste Zeiten und Orte gebunden, sondern begleitet uns in allen Lebenslagen. Beim mobilen E-Learning können Lernende auf Lerninhalte zugreifen, wo auch immer sie gerade sind und wann immer ein Lernbedarf besteht. Damit einher wird ein Aufschwung für Augmented Learning gehen, wobei der Kontext – Ort oder Situation – des Lernenden durch das Lernsystem berücksichtigt wird, um relevante Informationen darzubieten.

Das kontextbezogene Lernen fördert zudem Mikrolernen. Nicht mehr findet E-Learning ausschließlich in Form von zeitaufwendigen Kursen statt, sondern mehr und mehr erfolgt Lernen in kleinen und kleinsten Lerneinheiten. Durch den Konsum winziger Lernhäppchen wird Lernen flexibel in den Alltag integriert. Mikrolernen erfolgt „nebenbei“ und besteht nicht nur aus strukturierten Lernangeboten, sondern ebenso aus Aktivitäten der Informationssuche oder des Austausches im sozialen Netz wie sie für viele Menschen bereits tägliche Realität sind.

Während man in den Anfangszeiten des E-Learning stark davon ausging, Lernen zur Gänze in den virtuellen Raum verschieben zu können, wird durch die beschriebenen Trends im E-Learning ganz klar, dass die Zukunft des E-Learnings anders verläuft. Eine Ablösung der herkömmlichen Lehr- und Lernmethoden wird es durch E-Learning nicht geben. Vielmehr wird Lernen zukünftig das Beste beider Welten vereinen. Beim Blended Learning werden die traditionellen Präsenzformen des Schulunterrichts, der Vorlesungen und der beruflichen Aus- und Weiterbildung sinnvoll durch E-Learning unterstützt und ergänzt.

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