Roboter als Deutschlehrer


Als Staubsauger und Rasenmäher greifen uns Roboter im Alltag bereits unter die Arme. Bald sollen sie sich auch als Lehrer nützlich machen.


August 2016



Weil sich die Integration von Flüchtlingskindern in den Klassenzimmern entscheidet, gilt es als besonders wichtig, sie so bald und gut als möglich in Kitas und Schulen zu betreuen. Doch fehlen für den Unterricht Tausender nach Deutschland gekommener Kinder die Lehrer. Geht es nach dem Anfang 2016 angelaufenen und von der EU geförderten Forschungsprojekt L2TOR (gesprochen: „el tutor“), soll bald schon ein Roboter für Abhilfe in überfüllten Deutschklassen schaffen. Nao heißt der von einem französischen Roboterhersteller entwickelte maschinelle Deutschlehrer, der sehen, hören und sich unterhalten kann. Der niedlich aussehende, kleine Kerl zählt zu den ausgereifteren Beispielen sozialer Roboter, die darauf getrimmt werden menschenähnlich zu agieren: Sie sollen verbale und nonverbale Kommunikation ihres Gegenübers beobachten und entsprechend reagieren können. Außerdem sollen sie Objekte und Ereignisse wahrnehmen und Emotionen lesen können sowie bei alldem einfühlsam wirken. Geplant ist, dass Nao Kindern Vokabeln und einfache grammatikalische Strukturen beibringt. Und dabei erkennt die intelligente Maschine, wenn der Schüler nicht weiter weiß oder spricht Lob aus bei korrekten Antworten. Und weil Nao unendlich geduldig ist, kann jedes Kind im eigenen Tempo lernen.

Immer mehr Roboter werden mit „sozialer Kompetenz“ ausgestattet, um Kinder zu unterrichten.So arbeitet etwa auch das Computer-Human Interaction Lab in Learning and Instruction (CHILI) im Projekt CoWriter an einem maschinellen Lehrer. Dabei soll nach der Unterrichtsmethode „Lernen durch Lehren“ Kindern Schreiben durch einen Roboter beigebracht werden. Hierbei schreibt der Roboter ein vom Schüler vorgegebenes Wort auf ein Tablet. Falsch oder unschön geschriebene Buchstaben werden vom Kind korrigiert. Durch das Einnehmen der Lehrerrolle und die Übernahme von Verantwortung für die „Lernerfolge“ des Roboters werden Selbstwertgefühl und Motivation gestärkt, gleichzeitig und unmerklich üben die Kinder und bauen ihre eigenen Fähigkeiten aus. Auch Tega, ein vom MIT Media Lab entwickelter Roboter, spricht mit seinem felligen, putzigen Äußeren Kinder an, kann eine Bandbreite sozialer Emotionen zeigen und reagiert entsprechend auf das Verhalten der Kinder. Der durch ein Smartphone betriebene Roboter soll Vorschulkindern Spanischunterricht geben. Der von RoboKind, einem Anbieter humanoider Roboter, entwickelte Milo unterstützt autistische Kinder, ihre sozialen und sprachlichen Fähigkeiten zu verbessern. Milo lehrt das Verständnis für und die Bedeutung von Emotionen und Ausdrücken und demonstriert die passenden sozialen Verhaltensweisen und Reaktionen. So erhalten autistische Kinder die Möglichkeit, ihnen schwerfallendes adäquates soziales Verhalten mit einem Roboter zu üben bevor sie sich in Situationen mit echten Menschen wiederfinden.

Sollten Roboter in Zukunft tatsächlich eine größere Rolle als Lehrer spielen, wirft das natürlich eine Menge Fragen auf. Zunächst ist natürlich im Hinblick auf Daten- und Privatsphäreschutz zu regeln, wie mit den Informationen umgegangen wird, die im Rahmen der Interaktionen über das Kind eingesammelt werden. Aber auch ethische Aspekte sind zu bedenken, die sich speziell daraus ergeben, dass Kindern Beziehungen vorgegaukelt werden. Generell wird auch danach zu fragen sein, inwieweit Roboter die Lösung für gesellschaftliche Probleme sein können und ob Unterricht ein Bereich ist, der für Automatisierung offenstehen sollte. Zwar wird von den Entwicklern der Roboter-Lehrer stets darauf hingewiesen, dass diese lediglich Lehrer aus Fleisch und Blut unterstützen und ergänzend eingesetzt werden. Doch wird die Festlegung, wann die Unterstützung endet und der Lehrer ersetzt wird, eine Gratwanderung sein.

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