Ein gutes Jahrzehnt nachdem Jeremy Rifkin die Access Economy ausrief, scheint die „Ökonomie des Zugangs“ Wirklichkeit zu sein: Im Internet sprießen derzeit Plattformen, auf denen die verschiedensten Dinge geteilt, getauscht und gemietet werden können. Warum auch sollte man Dinge kaufen, wenn man sie viel günstiger leihen kann? Eigentum verliert an Bedeutung, was zählt, ist der Zugang und die Möglichkeit der Nutzung. Natürlich kann man einwenden, das hat es immer gegeben: Bücher aus der Bibliothek, Betten im Hotel, Autos von der Autovermietung. Und doch unterscheidet sich die Sharing-Economy von den alten Formen des Mietens und Leihens in wesentlichen Punkten: Das Internet hat nicht nur die Intermediäre ausgeschaltet; geliehen wird heute nicht mehr von Hotelketten oder Autovermietungen, sondern direkt von privaten Eigentümern. Zudem hat Technologie die Transaktionskosten des Teilens drastisch verringert und den Austausch vereinfacht, wodurch Teilen heute auf einem gänzlich neuen Niveau möglich wird. Im Internet werden Anbieter und Nachfrager auf einfachste Art und Weise zusammengebracht. Smartphones und mobiles Internet machen die Dienste dazu noch höchst flexibel: ad hoc wird jedem geholfen. Smartphones mit Navigation und GPS führen uns direkt zum nächstgelegenen vermietbaren Zimmer oder zum nahe geparkten Auto zur Leihe. Soziale Netzwerke sowie Rating- und Empfehlungssysteme sorgen dafür, dass Transparenz entsteht und das für solche Geschäfte nötige Vertrauen aufgebaut wird. Online Zahlungssysteme unterstützen schließlich noch die Zahlungsabwicklung. Die Technologie hat also großen Anteil daran, dass heute Millionen Fremder sich gegenseitig Gebrauchsgegenstände leihen.
Die Sharing-Economy schafft Konsumenten nicht nur Zugang zu einer schier unendlichen Auswahl an Gütern, sie verschafft ebenso den Eignern der Dinge ein Geschäftsmodell, um ein bisschen hinzuzuverdienen. Wer gerade knapp bei Kasse ist, hat die Möglichkeit ohne großen Aufwand sein Auto gegen Gebühr zu verleihen, sein Sofa einem Weltenbummler zu überlassen oder seine Schiausrüstung zu vermieten. Wo immer freie, ungenutzte Kapazitäten vorhanden sind, bietet sich das Prinzip der Sharing-Economy an. Aber nicht nur für Nachfrager und Anbieter ergibt das Teilen Vorteile, auch die Umwelt freut sich: Weil Dinge genutzt werden, die es ohnehin schon gibt, werden Ressourcen geschont.
Die Sharing-Economy ist ein recht junges Phänomen und noch im privaten Bereich verhaftet. Je erwachsener sie wird, desto mehr wird sich Teilen professionalisieren und ebenso in den Unternehmensbereich wandern. Warum sollten Firmen nicht ihre freien Kapazitäten zu Geld machen und etwa zeitweilig nicht genutzte Büroflächen, Maschinen, Fahrzeuge vermieten? Im Moment steht bei den Transaktionen in den seltensten Fällen der finanzielle Gewinn im Vordergrund. Absehbar ist jedoch, dass die Tauschcommunitys im Internet stärker zur Umsetzung entsprechender Geschäftsmodelle genutzt werden und dort etwa Autos, die speziell zum Zweck der Vermietung angeschafft wurden, „geteilt“ werden. In diesem Zuge wird die Sharing-Economy auch verstärkt mit Fragen der Besteuerung, Versicherungen, Haftung und branchenspezifischer Regulierung konfrontiert werden.
Dass etablierte Unternehmen und Behörden ein Auge auf die Sharing-Economy werfen, ist bestes Indiz dafür, welch großes Potential im peer-to-peer-Geschäft steckt. Das Prinzip, von Privatpersonen anstelle von gesichtslosen Unternehmen zu mieten, wird etablierte Branchen zu einem Umdenken zwingen. Eine Vielzahl neuer Geschäftsmodelle wird entstehen, nicht immer wird Sharing in seiner Reinform verwirklicht werden, oftmals auch wird es integriert sein in die Geschäftsmodelle der „Alteingesessenen“ der jeweiligen Branche. Allein schon weil Sharing Konsumenten einen solch unschätzbaren Wert bringt, wird die Idee keine Eintagsfliege sein. In Zukunft wird Sharing zwar mit etwas weniger Idealismus, wie er neue demokratisierende Märkte oftmals umgibt, verbunden sein, aber Sharing ist bereits fixer Teil des Konsumentenverhaltens und wird weiterhin eine bedeutende Rolle spielen.