Jedem sein eigener Chauffeur


Fahrerlose Autos sind auf dem besten Wege Wirklichkeit auf unseren Straßen zu werden. Mehr Sicherheit, weniger Umweltbelastung sowie mehr Komfort und Zeit verspricht der Autoverkehr der Zukunft.


Mai 2013



Auf die in Zukunftsszenarien sich hartnäckig haltenden fliegenden Autos wird die Welt weiter warten müssen. Auch wenn Autos (vorerst noch) am Boden bleiben, Innovationen rund um den fahrbaren Untersatz gibt es dennoch reichlich. Was den Autoverkehr vor allem revolutionieren wird, ist der gewollte Autonomieverlust des Fahrers. Autos und die gesamte Verkehrssteuerung werden intelligenter und damit kehren mehr Sicherheit, weniger Staus, verringerte Schadstoffbelastungen und mehr Bequemlichkeit ein.

Seit 2010 arbeitet Google an fahrerlosen Autos, welche nun seit rund einem Jahr testweise auf den Straßen Nevadas, Kaliforniens und Floridas unterwegs sind. Wann der kommerzielle Verkauf startet, ist wohl weniger eine Frage der Technik, als vielmehr der Klärung von Straßenverkehrsordnungs- und Haftungsfragen. Das mit Videokameras, Radarsensoren und Lasern ausgestattete Gefährt ist in der Lage, sämtliche relevante Informationen zum Straßenverkehr zu erfassen und wird auf dieser Basis von einem Rechner gesteuert. Rechnerunterstützung im Auto ist freilich nichts Neues: Heute schon stehen Assistenzsysteme dem Fahrer helfend zur Seite und parken selbständig ein, erkennen Verkehrszeichen, halten den Sicherheitsabstand ein und bremsen im Notfall automatisch. Das autonome Auto hingegen enthebt den Fahrer vollkommen von allen Aufgaben: einfach zurücklehnen und Zeitung lesen, im Internet surfen oder ein Nickerchen halten. Nicht nur die gewonnene Freizeit für den Fahrer ist ein Pluspunkt, auch versprechen autonome Autos flüssigeren Verkehr, verringerten Treibstoffverbrauch sowie weniger Unfälle.

Diese Vorteile verstärken sich noch, werden fahrerlose Autos zu „Autozügen“ vereint. Das EU-Projekt SARTRE erarbeitet Strategien und Technologien, die Autos drahtlos zu semi-autonomen Konvois verbinden. In dieser Vision bildet ein von einem professionellen Fahrer gesteuertes Führungsfahrzeug die Spitze des Autozuges, in den sich Autos jederzeit eingliedern können und damit die Steuerung an den Konvoi abgeben. Sobald das Fahrtziel naht, übernimmt der Fahrer wieder die Kontrolle und verlässt den Autozug. Durch die Nutzung aerodynamischer Effekte ist hierbei der ökologische Gewinn durch eine gesteigerte Treibstoffeffizienz besonders groß: Wie in der Formel I oder bei Radrennen machen sich Autozüge den Trick des Windschattenfahrens zunutze. Auch bei den Autokonvois ist der Knackpunkt für den Erfolg weniger die Lösung technologischer Fragen, zumal Technik genutzt wird, die bereits Bestandteil moderner Autos ist, wie etwa adaptive Geschwindigkeitsregelung, automatisches Bremsen oder Spurhaltesysteme. Die größere Frage ist, ob Fahrer gewillt sind, die Kontrolle über ihren Wagen an den Konvoiführer abzugeben.

Neben Akzeptanzproblemen werfen fahrerlose Autos aber auch eine Reihe anderer wichtiger Fragen auf. Setzt sich das autonome Auto mit all seinen Vorteilen erst einmal durch, so werden manuell betriebene Fahrzeuge einen schweren Stand haben. Werden künftig herkömmliche Autos von den Straßen – zumindest den chronisch verstopften Hauptverkehrswegen – verbannt werden, um Unfälle zu vermeiden und den Verkehr effizienter fließen zu lassen? Auch Versicherungen kommt die größere Sicherheit autonomer Autos entgegen, denn Computer werden nicht müde und lassen sich nicht ablenken, sitzen nicht betrunken am Steuer oder mit dem Mobiltelefon am Ohr. Schon heute winken Versicherungen mit Rabatten für die Nutzung von Blackboxes, mit deren Hilfe das Fahrverhalten nachvollzogen werden kann. Wird Selbstfahren zum unbezahlbaren Risiko? Wird es noch Verkehrsstrafen geben? Schließlich werfen die vernetzten Autos auch gänzlich neue Sicherheitsfragen auf: Werden Hacker imstande sein, die autonomen Autos zu kapern oder gar Massenunfälle zu provozieren?

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