Spielend zum Ziel


Gamification hat sich bereits in vielen Bereichen als lohnende Strategie bewährt. Auch urbane Mobilität kann vom Einsatz von Spielprinzipien profitieren.


August 2016



In Deutschland haben Autofahrer 2015 durchschnittlich 38 Stunden im Stau verbracht. Nur in Belgien mit 44 Stunden und den Niederlanden mit 39 Stunden wird das Fahrzeug noch öfter zum „Stehzeug“. Weil der städtische Verkehr einen deutlichen Einfluss auf die Lebensqualität der Stadtbewohner hat, Straßenverkehr eine wesentliche Quelle der Luftverschmutzung ist und Verkehrslärm in vielen Städten ein gesundheitliches Problem darstellt, stehen Anreize, das Mobilitätsverhalten der Stadtbewohner zu ändern, ganz oben auf der politischen Agenda. Öfter zu Fuß zu gehen, mit dem Fahrrad zu fahren oder auf öffentliche Verkehrsmittel auszuweichen, soll eine Entlastung der Straßen bringen. Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) hat wiederum mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen. Rund 10 Milliarden Fahrgäste nutzen jährlich Busse und Bahnen in Deutschland – Tendenz steigend. Nicht nur muss von den Verkehrsbetrieben ein allgemein steigendes Verkehrsaufkommen bewältigt werden, auch gilt es Überlastungen zu Stoßzeiten zu vermeiden.

Infrastrukturmaßnahmen zur Lösung dieser Verkehrsprobleme sind zumeist teuer und langwierig. Kostengünstiger wäre es, die vorhandenen Transportkapazitäten effizienter zu nutzen. Da dies Verhaltensänderungen der Nutzer voraussetzt, liegt Gamification als Hilfsmittel nahe. Denn es ist stets Ziel von Gamification, durch die Anwendung von Spielprinzipien Menschen zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen zu motivieren. Durch die Einführung von Spielelementen wie beispielsweise das Stellen von Aufgaben, Belohnungen oder Wettbewerb würde das Verkehrssystem zu einem spielerischen Setting, Fahrgäste würden zu Spielern. „Richtiges“ Verhalten, also solches im Sinne der Verkehrssteuerungsziele, hätte ein Vorankommen im „Spiel“ zur Folge.

So sollte etwa „Beat the Street“ in Reading (UK) Bewohner zu einem aktiveren Lebensstil animieren. Mehr als 24.000 Menschen beteiligten sich von April bis Mai 2015 an dem Wettbewerb, möglichst viel Strecke zu Fuß oder per Fahrrad zurückzulegen. Dabei konnten Teilnehmer ihre Wege mittels Kartenlesegeräten, die an Laternenpfählen in der gesamten Stadt verteilt waren, registrieren. Tatsächlich gab ein Großteil der Teilnehmer an, sich durch „Beat the Street“ mehr bewegt zu haben. In Singapur verdienen Nutzer des öffentlichen Verkehrssystems mit jeder Fahrt Punkte, die bares Geld wert sind. Durch unterschiedlich hohe Punktbelohnungen abhängig von der Tageszeit des Trips versucht das Programm „Travel Smart Rewards“ die Mobilitätsnachfrage von Stoßzeiten in verkehrsschwächere Zeiten zu verlagern. Gleichzeitig nutzen die Verkehrsbetriebe die dabei gesammelten Daten zur Analyse der Verkehrsströme.

Gamification hat sich bereits in vielen Bereichen als wirksames Hilfsmittel erwiesen, um Verhaltensänderungen herbeizuführen. So sind Spielprinzipien beispielsweise schon stark verbreitet, wenn es um die Unterstützung von Lernprozessen, um die Motivation mehr Sport zu treiben oder einfach darum geht, Prokrastination zu überwinden und Alltagsdinge zu erledigen statt sie auf morgen zu verschieben. Auch im Bereich des städtischen Verkehrs erscheint der Einsatz von Spielprinzipien erfolgversprechend, um Staus und verstopfte Bahnen zu vermeiden. Oftmals reichen schon einfache, kostengünstig umsetzbare Spielideen, um Städte ein klein wenig lebenswerter zu gestalten.

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