Moderne Maschinenstürmer


Auch wenn Maschinen in immer mehr Arbeitsbereiche vordringen, wird menschliche Arbeit noch lange nicht verschwinden. Denn Hand in Hand mit Technik entsteht auch viel Neues.


November 2016



Werden Maschinen uns die Arbeit wegnehmen? Die Antwort auf diese in letzter Zeit bis zum Überdruss gestellte Frage beinhaltet zumeist eine umfangreiche Aufzählung von Berufen, die durch Technik verdrängt und solchen, die das Maschinenzeitalter überleben werden – Briefträger und Steuerprüfer würden es demzufolge in Zukunft schwer haben, für Pflegekräfte und Verkehrsanalysten hingegen brächen rosige Zeiten an. So spekulativ diese Einschätzungen ausfallen, so falsch ist bereits die eingangs gestellte Frage.

Es ist zwar richtig, dass Technik immer weiter in die Arbeitswelt vordringt. Nicht nur Fließbandarbeit kommt längst ohne Menschen aus, selbst Zeitungsartikel werden heute von Maschinen geschrieben und in Operationssälen übernehmen Roboter medizinische Eingriffe. Dennoch muss die Betrachtung der Jobverdrängung durch Maschinen viel differenzierter erfolgen. Aller Voraussicht nach wird die Automatisierung keine Berufe zur Gänze auslöschen, allenfalls wird sie sie verändern. Schließlich sind es immer nur einzelne Aufgaben, die automatisiert werden. Auch muss ins Auge gefasst werden, was die Automatisierung Neues hervorbringt. Abgesehen von steigenden Produktionsmengen, besserer Qualität und weniger Fehlern führen Maschinen möglicherweise auch dazu, in bisher unangetastetes Terrain vorzustoßen, weil sie Möglichkeiten eröffnen, die bislang gar nicht gegeben waren. Kann nicht in vielen Fällen Technologie dazu führen, menschliche Fähigkeiten zu erweitern und damit Tätigkeiten und Berufe erst zu erschließen, die ohne Technologie gar nicht denkbar wären?

Dass die Frage nach den verschwindenden Jobs in die Irre führt und das Beklagen von Jobverlusten möglicherweise eher auf einen Mangel an Fantasie hinweist, zeigt auch ein Blick in die Geschichte. Denn bereits in der Vergangenheit haben technologische Entwicklungen mehrmals radikal verändert, wie Menschen leben, arbeiten und kommunizieren. Während der Ersten Industriellen Revolution änderte sich die Produktionsweise durch Dampf- und Webmaschine, die Zweite Industrielle Revolution ist charakterisiert durch intensivierte Mechanisierung, den weitverbreiteten Gebrauch von Elektrizität und die Massenproduktion von Gütern. Auch damals gab es Furcht vor den sozialen Folgeerscheinungen der Mechanisierung, deren Höhepunkt die Protestbewegung der Maschinenstürmer mit ihren Zerstörungsaktionen gegen Maschinen bildete. Doch die Mechanisierung wurde nicht wieder zurückgedreht, sondern setzte eine bis dahin unvergleichliche wirtschaftliche Entwicklung und ein Wachstum in Gang, woraus verbesserter Lebensstandard sowie höhere Lebenserwartung resultierten.

Nun befinden wir uns in einer weiteren durch technologische Innovationen angestoßenen Umschwungphase. Dabei öffnen digitale Technologien, Künstliche Intelligenz sowie Technologien der Mensch-Maschine-Interaktion das Tor zu noch nie Dagewesenem. Man denke nur an selbstfahrende Autos, die Ausgangspunkt völlig neuer Mobilitätskonzepte werden könnten. Big Data wird neue Geschäftsmodelle, Produktideen und Dienstleistungen hervorbringen sowie 3D-Printing das Produzenten-Konsumenten-Verhältnis revolutionieren. Roboter helfen bei gefährlichen Tätigkeiten wie etwa Bombenentschärfungen oder bei der Arbeit in Kernreaktoren, mit giftigen Dämpfen oder in extremer Kälte. Außerdem unterstützen sie Ärzte bei der Diagnose und machen diese präziser, schneller und kostengünstiger. Wer weiß heute schon, wie all diese Neuerungen morgen auf unser Leben und Wirtschaften wirken?

Immer noch sind die Herausforderungen immens, menschliche Arbeit dort wegzurationalisieren, wo Flexibilität, Urteilskraft und Menschenverstand vonnöten sind. In den meisten Fällen ersetzen und ergänzen Maschinen menschliche Arbeit: Sie stehen Menschen zur Seite, nehmen Routineaufgaben ab und geben mehr Raum, um menschliche Problemlösungs- und Anpassungsfähigkeit sowie Kreativität zur Geltung zu bringen. Daher ist der isolierte Blick auf Bereiche, in denen Maschinen besser sind und menschliche Arbeitskraft verdrängen, kaum zielführend. Denn letztlich steigert Technologie den Wert von Aufgaben, die Menschen konkurrenzlos ausführen können. Die Frage nach der Qualität von Jobs wird – mit allen damit zusammenhängenden Konsequenzen – wichtiger werden.

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