Künstliche Gehirne


Eine neue Herangehensweise verspricht einen Durchbruch bei der Entwicklung Künstlicher Intelligenz: Deep Learning nimmt das menschliche Gehirn zum Vorbild und gewinnt Erkenntnisse aus großen Datenmassen.


Februar 2016



Um die Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI) ist in der Wissenschaftsgemeinde ein regelrechter Wettlauf entbrannt. Ein neues Verfahren gibt KI-Forschern nun Hoffnung, dass intelligente Maschinen endlich das Reich der Science Fiction verlassen werden: Deep Learning vollbringt die Interpretation komplexer Information in einer ähnlichen Art und Weise wie unser Gehirn. Damit werden Computer Probleme lösen können, die Menschen mit Leichtigkeit bewältigen, für Maschinen aber bislang eine große Hürde darstellten – etwa mit unterschiedlichen Akzenten gesprochene Sprache zu erfassen, Gesichter zu erkennen, auch wenn diese aus verschiedenen Winkeln aufgenommen wurden oder Bilder zu kategorisieren, auf denen ähnliche Motive dargestellt sind.

Deep Learning Software versucht die Aktivitäten der neuronalen Netze in der Großhirnrinde, also dem „denkenden“ Teil des menschlichen Gehirns, zu imitieren. Dabei werden Tausende künstlicher neuronaler Netzwerke in einem hierarchisch geschichteten System trainiert, zunehmend abstraktere und aussagekräftigere Merkmale zu erkennen. In ähnlicher Weise wie das menschliche Gehirn lernt die Maschine Muster in digitalen Darstellungen von Sound, Bildern oder anderen Daten aufzuspüren.

Zwar ist die grundsätzliche Idee, dass mit Hilfe von Software ein künstliches neuronales Netzwerk nach dem Muster der „grauen Substanz“ des menschlichen Gehirns mit ihren unzähligen kommunizierenden Nervenzellen nachgebildet wird, nicht ganz neu. Aber erst mit der heute verfügbaren stärkeren Rechenleistung ist es möglich, eine viel höhere Anzahl an Schichten neuronaler Netze zu modellieren als jemals zuvor. Auch ist entscheidend für das gute Funktionieren von Deep Learning, dass große Datenmengen zum Training des Systems neuronaler Netze verfügbar sind.

Tatsächlich beginnt Maschinenintelligenz gerade eine Vielzahl von Bereichen – von Kommunikation über Medizin und Produktion bis hin zu Logistik – gehörig umzukrempeln. IBMs Computersystem Watson nutzt einige Deep Learning-Techniken und unterstützt nach seinem spektakulären Sieg beim Jeopardy!-Quiz nun Ärzte, Diagnosen zu stellen und bessere Entscheidungen zu treffen. Auch die Sprachsuche auf Smartphones wurde entscheidend durch Deep Learning verbessert. Die vorrangigen Einsatzfelder der Methode liegen heute noch in der Bild- und Spracherkennung, wo sie ganz entscheidend den State-of-the-Art auf ein neues Niveau gehoben hat. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird Deep Learning jedoch auch in andere Anwendungen einfließen. So gab es etwa bereits vielversprechende Ansätze in der Pharmabranche, nützliche Wirkstoffmolekülkombinationen aus Hunderten von Millionen Kandidaten mit Hilfe von Deep Learning schneller zu identifizieren. Im Bildungsbereich wird an Software gearbeitet, die Prüfungsarbeiten von Studenten angeblich genauso zuverlässig bewertet wie Experten. Der Streamingdienst Netflix nutzt den neuen Weg des Maschinenlernens, um die Treffsicherheit seiner Empfehlungen zu erhöhen und Amazon bedient sich seines Datenreichtums und analysiert Bestellhistorie, Wunschliste, Suchabfragen, Clickstream-Daten etc. von Kunden, um sie mit Produkten zu beliefern, ehe diese überhaupt die Bestellung abgesandt haben.

Diese Beispiele zeigen, welches Potenzial in Deep Learning steckt. Zwar steht man mit dieser Methode noch ganz am Anfang, doch die Erwartungen sind hochfliegend. Bei allen Fortschritten, die Deep Learning bereits für sich verbuchen kann, sind dennoch Zweifel noch lange nicht ausgeräumt, dass es Künstliche Intelligenz jemals mit menschlicher Intelligenz aufnehmen könnte. Das menschliche Gehirn ist immer noch so viel komplexer als die künstlich erzeugten neuronalen Netze – und selbst die größten Datenmassen können diese Diskrepanz nicht wettmachen. Zumal die Wissenschaft immer noch nicht gut versteht, wie das menschliche Gehirn funktioniert. Die künstlich erschaffenen Gehirne können daher nicht mehr als eine sehr vage Annäherung sein.

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