Lebenslang und klein dosiert


Lebenslanges Lernen war lange ein viel bemühtes Schlagwort der Bildungspolitik. Wird es durch Mikrolernen nun endlich Realität?


Februar 2016



„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“, glaubte man längste Zeit, als Lernen mit dem Drücken der Schulbank ein für alle Mal abgeschlossen war und man sodann einen Beruf auf Lebenszeit ausübte. Doch die Zeiten haben sich gründlich verändert: Beständig, so scheint es, ist heute einzig der Wandel. Weil die Halbwertszeit von Wissen stetig fällt, wird Lernfähigkeit zu einer entscheidenden Schlüsselkompetenz. Hänschen kann heute noch gar nicht wissen, was Hans dereinst lernen muss. Denn der Wandel zur Informationsgesellschaft, technologischer Fortschritt und globaler Wettbewerbsdruck mit seinen verkürzten Produkt- und Produktionszyklen rufen nach kontinuierlichem Lernen – auf individueller als auch organisationaler Ebene –, um am Ball zu bleiben und den Markt stetig mit Innovationen zu versorgen. Dazu kommt, dass Menschen heute hochvernetzt sind, immer und überall Zugang zum Internet haben und die Publikation von Inhalten jedermann offensteht.

Digitale Technologien sind aus modernen Gesellschaften nicht mehr wegzudenken. Weil sie von Grund auf wandeln, wie wir leben und arbeiten, braucht Bildung eine grundlegende Transformation, um die Perspektiven des Einzelnen, den Erfolg der Wirtschaft und die Zukunft der Gesellschaft zu garantieren. Herkömmliche Formen des Lernens sind häufig nicht imstande, jene kontinuierliche Anpassung von Fähigkeiten zu leisten, die heute nötig ist, um mit den ständigen Neuerungen Schritt zu halten. Traditionelle Lernsysteme sind viel zu schwerfällig und pressen den Lernenden in festgeschriebene, geschlossene Systeme. Es braucht neue Konzepte und Innovationen, um lebenslanges, kontinuierliches und selbstgesteuertes Lernen zu ermöglichen!

Der Weg zu lebenslangem Lernen wird künftig über das Design von Mikrolernerfahrungen führen. Denn Mikrolernen, das Lernen in kleinen und kleinsten Portionen, passt nicht nur gut zu den Anforderungen der Generation Y, sondern unterstützt die individuellen Lernziele und -bedürfnisse aller Lerngruppen, indem es flexibles Lernen ermöglicht, das mühelos in den Alltag integriert werden kann. Dabei wird Information in Form kleiner Häppchen, so genannter Learning Nuggets, dargeboten. Weil Lernende heute stets Prosumer – Produzenten als auch Konsumenten von Inhalt – sind und die digitalen Technologien die Entstehung von nutzergenerierten Inhalten unterstützen, ist heute ein Trend hin zu Mikroformaten zu beobachten, die in kurzer, einfach verständlicher und gezielter Information bestehen, wie sie etwa als Podcasts, Blogposts, Wiki-Einträgen oder Kurznachrichten auf Facebook oder Twitter heute allgegenwärtig sind. Mikrolernen schöpft aus dieser Inhaltsflut, die die Bausteine für neue Formen impliziten, informellen und beiläufigen Lernens bereitstellt.

Mikrolernen umfasst kurze, lose gekoppelte Lernaktivitäten abseits formeller Lernstrukturen, die sich jeweils auf eine klar abgegrenzte Fragestellung richten, die sich selbstorganisiert beantworten lassen. Dass Lernen mehr und mehr in kleinen Portionen stattfindet, trägt dem Umstand Rechnung, dass sich das Internet als vorrangige Informationsquelle etabliert hat, das von den Lernenden eigenständig angesteuert und zu „Lernmaterial“ transformiert wird. Lernen erfolgt in kleinen Schritten und folgt einer Struktur, die sich der Lernende selbst erschaffen hat. Dabei sind Exploration und soziale Interaktion wesentliche Bestandteile des Lernprozesses, der immer und überall den Alltag begleitet. Information und Wissen sind nicht länger eingesperrt in Archiven oder den Köpfen der Lehrenden, sondern entstehen im Austausch zwischen den Teilnehmern eines riesigen Netzwerks, in dem kleine und kleinste Informationsstückchen zirkulieren. Die Architektur des World Wide Webs mit seinen unerschöpflichen Informationen und Hyperlinks verkörpert eine nahezu perfekte Infrastruktur für selbstgesteuertes Lernen im Mikroformat.

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