Vom Hörsaal ins Büro


In der akademischen Welt haben sie den reinsten Hype entfacht und zum Nachdenken über Bildung und Lernen angeregt: Massive Open Online Courses (MOOCs). Ihr Potential könnten sie künftig auch in Unternehmen entfalten.


Mai 2015



Beständig, so scheint es, ist heute einzig der Wandel. Weil die Halbwertszeit von Wissen stetig fällt, wird Lernfähigkeit zu einer entscheidenden Schlüsselkompetenz. Herkömmliche Formen des Lernens sind allerdings oft zu schwerfällig, jene kontinuierliche Anpassung von Fähigkeiten zu leisten, die heute nötig ist, um mit den ständigen Neuerungen Schritt zu halten.

Vor diesem Hintergrund fragt sich, ob MOOCs (Massive Open Online Courses) dem Lernen in Organisationen frische Impulse geben können. Immerhin haben jene kostenlosen, offen zugänglichen online Lehrveranstaltungen bereits in Academia einen regelrechten Hype entfacht und versprechen alles über den Haufen zu werfen, was jahrhundertelang unser Bild des Lernens prägte. Denn das MOOCs-Format vereint formales und informelles Lernen genauso wie es eine Reihe von Medien (eLearning-Module, Videos, Podcasts, Buchauszüge, Artikel, Blogbeiträge) einbindet, Lernende über die verschiedensten Kanäle (Diskussionsforen, Chats, Wikis, Social Media) kommunizieren lässt und durch die Integration von Storytelling-Techniken, spielbasierter Elemente sowie die Nutzung von Simulationen und Szenarien zur Einübung von Problemlösung und Entscheidungsfindung wirkungsvolle Lernerfahrungen stiftet. MOOCs ermöglichen Lernen, wann immer es gerade benötigt wird, indem sie den nahtlosen Wechsel zwischen formellen und informellen sowie individuellen und sozialen Lernformen erlauben. Sind MOOCs als Dreh- und Angelpunkt einer völlig neuen Lern- und Wissenskultur in Unternehmen denkbar?

Das neue Lernformat ist imstande, eine Infrastruktur aufzuspannen, die Mitarbeiter in sämtlichen Arbeitsphasen und -situationen begleitet:

MOOCs können Zugang zu globalen Talentpools eröffnen und im Bereich der Rekrutierung und zum Zwecke des Talentscouting eingesetzt werden. Indem sie Lernleistungen sichtbar machen, weisen sie den Weg zu guten Kandidaten oder solchen mit einzigartigen Qualifikationen. Einige MOOCs-Anbieter versprechen sogar als Teil ihres Geschäftsmodells die Identifizierung vielversprechender Kandidaten.

Zudem verhelfen MOOCs neu eingestellten Mitarbeitern dazu, schneller produktiv einsatzfähig zu werden. Im Onboardingprozess kann dadurch sinnvoll selbstgesteuertes mit angeleitetem Lernen kombiniert werden. Zudem fördert das MOOCs-Format die Vernetzung der Einsteiger untereinander und macht auf diese Weise Onboarding vom Einmal-Event zum kontinuierlichen Prozess.

MOOCs können auch dazu dienen, über innovative Lernerfahrungen auch Beziehungen außerhalb des Unternehmens – zu Kunden und Partnern – herzustellen und zu vertiefen. Bei der Anwendung erklärungsbedürftiger Produkte oder im Vorfeld einer Kaufentscheidung können sie geeignet Auskunft geben. Auch Lieferanten, Händler und sonstige Partner können mit Informationen via MOOC versorgt werden, um durch passgenaue Informationen die Zusammenarbeit zu optimieren. MOOCs stellen einen direkten Draht zu Kunden und Partnern her und lassen Unternehmen sämtliche Kanäle gezielt entwickeln.

Werden MOOCs nicht bloß als Instrument der Wissensvermittlung verstanden, sondern als Kollaborationsvehikel zum Teilen und Speichern von Informationen, zur Diskussion von Ideen und zur Herstellung eines gemeinsamen Verständnisses, dann können MOOCs dem Wissensmanagement neuen Schwung verleihen. Weil sie auf Austausch und Interaktion angelegt sind, können sie als Plattformen für soziales Lernen dienen. Idealerweise werden MOOCs als zentrales Knowledge Sharing Hub etabliert, wo sich alle Prozesse rund um Lern- und Wissensmanagement bündeln.

Die offensichtlichste Funktion des neuen Lernformats liegt in der Personalentwicklung. Denn sie verschaffen kostengünstig Zugang zu aktuellen Inhalten. Anders als bei den meisten bisherigen Herangehensweisen der beruflichen Bildung schaffen MOOCs eine Kultur des kontinuierlichen Lernens, weil sie Lernen in die tägliche Arbeit integrieren. Selbst kleinste Organisationen wären imstande, laufend aktuelle, relevante Lernaktivitäten anzubieten.

Weil Unternehmen immer stärker von klassischer Werbung abrücken und stattdessen durch hochwertige Medieninhalte ihre Marke formen und pflegen, werden im Bereich von Branding und Marketing MOOCs eine wachsende Rolle spielen. Mit Hilfe von Lerninhalten wird Konsumenten echter Mehrwert in Form relevanter Information und Unterhaltung geboten. Auch eignen sie sich, die breite Öffentlichkeit anzusprechen und zu „bilden“, um sie etwa von einem neuen Produkt oder einer neuen Technologie zu überzeugen.

f/21 Quarterly liefert Ihnen 4-mal jährlich frisches Zukunftswissen direkt in Ihr Postfach.
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos!