Neue Zeiten, neue Bildung


Die Mensch-Maschine-Zusammenarbeit der modernen Arbeitswelt ruft nach einem neuen Bildungsmodell.


Mai 2016



Die Berufe, in denen die Kinder von heute einmal arbeiten werden, sind noch nicht erfunden. Denn technologische Innovationen – von Künstlicher Intelligenz, Robotern, dem Internet der Dinge, 3D-Printing, Nanotechnologie bis hin zum Quantencomputing – wandeln die Arbeitswelt von Grund auf. Aber nicht nur werden viele Berufe neu entstehen, auch werden viele heutige Berufe verschwinden. Eine Reihe von Studien kam in den letzten Jahren zu dem Ergebnis, dass der Menschheit die Arbeit ausgehe, weil der technologische Fortschritt auf dem Gebiet der Digitalisierung und Automatisierung menschliche Arbeitskraft in nie gekanntem Maße ersetzen wird.

Wie auch immer mit den Folgen des Drucks auf den Arbeitsmarkt umgegangen wird, eines ist gewiss: Bildung und Ausbildung werden mit der gewandelten Arbeitswelt Schritt halten müssen. Der Bildungsbereich ist bislang vergleichsweise unberührt geblieben von der digitalen Revolution. Jedoch spricht nichts dafür, dass dies so bleibt. Auch das Bildungswesen wird sich deshalb von den hierarchischen Strukturen der Industriegesellschaft verabschieden und stärker dem offeneren, dynamischeren Netzwerkmodell der Informationsgesellschaft nacheifern müssen. Nur ein solches Bildungsmodell kann vorbereiten auf die Herausforderungen der neuen Arbeitswelt, in der Arbeitnehmer zu Unternehmern im Unternehmen werden. Wissensvermittlung nach dem Fließbandprinzip und Lernen auf Vorrat sind keine Optionen mehr in einer schnelllebigen Zeit, in der unternehmerisches Denken zur Schlüsselkompetenz wird. Wissen muss von jedermann immer wieder neu geschaffen und sich selbständig angeeignet werden.

Wie aber gelangen wir in einen Modus des kontinuierlichen selbstgesteuerten Lernens? Zum einen muss das Bildungssystem bessere Voraussetzungen schaffen, Lehrende und Lernende, Experten aus Academia und Unternehmenswelt besser zu vernetzen. Damit würde ein Umfeld für eigenständiges Lernen geschaffen, in dem der Einzelne Zugang zu verschiedensten Lernressourcen – sowohl online als auch offline – hätte und sein Lernen gemäß den eigenen Interessen, Präferenzen und Notwendigkeiten gestalten sowie nach individuellem Tempo und Fortschritt vorgehen könnte.

Zum anderen müssen Lernziele angepasst werden, um mehr Nutzen aus der Mensch-Maschine-Zusammenarbeit zu ziehen. Künftig werden uns Roboter und Künstliche Intelligenz viel Arbeit abnehmen, Technologie wird uns unterstützen, effizienter zu werden. Doch zu vielen Aufgaben werden selbst die schlauesten Roboter nicht imstande sein – und werden es aller Voraussicht nach nie sein. Umso wichtiger ist daher eine Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine, die die größtmögliche Effizienz verspricht. Menschen sollten sich auf jene Bereiche besinnen, die sie besser können: Kreativität, kritisches Denken, Problemlösungsfähigkeiten, Erfinder- und Unternehmergeist. Daher wird Bildung in Zukunft stärker auf die Förderung dieser einzigartigen menschlichen Fähigkeiten fokussieren. Und nicht zuletzt wird auch der kritische Umgang mit den neuen Technologien stärker in den Vordergrund rücken.

Eine nutzbringende Beziehung zu Technologie einzugehen, kann letztlich nur unter einer Prämisse gelingen: Lernen wird verstärkt einen lebenslangen Prozess der persönlichen Entwicklung nach dem Humboldtschen Bildungsideal beschreiten müssen. Die notwendige persönliche und gesellschaftliche Selbstreflexion wird kaum erreicht werden durch das Absolvieren von Trainingsmaßnahmen, die auf die Aneignung gerade erforderlicher Fertigkeiten und Fähigkeiten gerichtet sind. Gerade weil Technologie immer stärker alle Lebensbereiche durchziehen und sich weiterhin rasend schnell weiterentwickeln wird, muss jeder Einzelne zu informierten Entscheidungen befähigt sein. Bildung bedeutet daher nicht das Bescheidwissen über den Status Quo, sondern schließt die Fähigkeit mit ein, sich an einer kritischen Debatte über die gesellschaftliche Entwicklung zu beteiligen.

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